Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Ortsgruppe Sankt Augustin

Bedrohliche Nähe auf ungeschützter Radspur

Bedrohliche Nähe auf ungeschützter Radspur © ADFC | Krone

Stellungnahme zum Beitrag der Stadt Sankt Augustin vom 28.04.2025

Stellungnahme der ADFC Ortsgruppe Sankt Augustin zum Beitrag „Geisterradler gefährden sich und andere!“ der Stadt Sankt Augustin vom 28. April 2025.

Am 28. April 2025 wurde auf der Homepage der Stadt Sankt Augustin ein Beitrag mit dem Titel „Geisterradler gefährden sich und andere!“ veröffentlicht. Dazu nimmt die ADFC Ortsgruppe Sankt Augustin wie folgt Stellung.


Dass Radfahrende sich an bestehende Verkehrsregeln zu halten haben, ist aus Sicht des ADFC unstrittig und unterstützenswert. Zugleich stellt sich jedoch die Frage, warum es dazu einer spezifischen Meldung bedarf. Denn insgesamt klärt der Beitrag nicht über die zugrunde liegende Daten- und Argumentationsgrundlage auf. Wird es zukünftig auch jeweils Meldungen geben, dass sich Autofahrende oder Zufußgehende regelkonform zu verhalten haben?
Viel problematischer ist allerdings, dass die Ursachen für das Missachten von Verkehrsregeln in dem Beitrag überhaupt nicht thematisiert werden. Deren Berücksichtigung dient nicht etwa einer pauschalen Legitimation von Fehlverhalten, sondern einer korrekten und differenzierten Darstellung. In der vorliegenden Form liest sich die Meldung der Stadt Sankt Augustin so, als handle es sich hier ausschließlich um individuelle Fehlentscheidungen von Radfahrenden, die durch Achtung der Regelungen der Straßenverkehrsordnung einfach korrigiert werden können. Dabei wird jedoch völlig ausgeblendet, dass häufig die fehlende oder mangelhafte Infrastruktur dazu beiträgt, dass sich Radfahrende so verhalten (z.B. Gehwege nutzen oder Radwege in die falsche Richtung fahren). Auch sogenannte Alleinunfälle haben als Hauptursache mangelhafte Infrastruktur.
Der ADFC-Bundesverband hat jüngst auf Basis von aktuellen Destatis-Daten darauf hingewiesen, dass mit zunehmendem Radverkehr auch eine Häufung von Unfällen einhergeht, weil die Infrastruktur hinter diese Entwicklung immer noch weit zurückfällt. Wenn Radfahrende dann trotz Verbot aus Mangel an Alternativen auf den Fußweg ausweichen, dann häufen sich dort die Unfälle. Während Radfahrenden bei Unfällen mit Zufußgehenden in 57,0 % der Fälle die Hauptschuld angelastet wurde, tragen demgegenüber Radfahrende bei Unfällen mit Autofahrenden lediglich in 24,7 % der Fälle die Hauptschuld (bei Unfällen mit Güterkraftzeugen sind es nur noch 20,9 %). Am häufigsten sind in 70,7 % der Fälle Autofahrende in Fahrradunfälle verwickelt, mit der zuvor dargelegten Hauptschuld. Bei weiter zunehmendem Radverkehr werden auch die Unfallzahlen weiter steigen. Ähnliches ist offenbar – folgt man der Meldung der Stadt Sankt Augustin – auch in Sankt Augustin zu beobachten. Infrastrukturelle Mängel zeigen sich aus Perspektive von Radfahrenden vor allem dadurch, dass (1.) Radwege inkonsistent geführt werden, (2.) Radfahrmöglichkeiten zwar formal vorhanden sind, aber aufgrund fehlender subjektiver Sicherheit wenig akzeptiert werden (insb. Fahren auf der Fahrbahn mit oder ohne Schutzstreifen) oder (3.) Radwegeführungen nicht verstanden werden. Dazu ein paar konkrete Beispiele vor Ort (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Inkonsistente Führung: Von der Siegstraße kommend in Richtung Arnold-Janssen-Straße muss am Kreisverkehr (Höhe Freibad) die Seite gewechselt werden. In Höhe der Frida-Kahlo-Schule hört der Radweg dann auf und die Seite muss erneut gewechselt werden.
  • Fehlende subjektive Sicherheit: Von der Rathausallee kommend existiert entlang der Südstraße Richtung Bonner Straße kein Radweg. Das Hochboard ist ausschließlich Zufußgehenden vorbehalten, Radfahrende müssen die Fahrbahn nutzen. Aufgrund des Sicherheitsrisikos nutzen Radfahrende hier sehr häufig trotz Verbot den Gehweg. Ein weiteres Beispiel stellt der Abschnitt auf der Bonner Straße, von der Sandstraße Richtung Wehrfeldstraße fahrend, dar. Hier ist das Hochboard seit einiger Zeit ausschließlich Zufußgehenden vorbehalten, Radfahrende müssen hier trotz sehr hohem PKW-Verkehrsaufkommen auf der Fahrbahn fahren.
  • Radwegeführung wird nicht verstanden: Auf der Lindenstraße Richtung Alte Heerstraße ab der Nonnenstrombergstraße gibt es ein Schild „Fußweg“. Früher war dort ein „Fuß- und Radweg“-Schild. Aufgrund der baulichen Situation ist der alte Radweg ein benutzbarer „anderer Radweg“, dessen Bedeutung allerdings kaum jemand kennt (baulich erkennbarer, nicht benutzungspflichtiger Radweg). Weder kommuniziert die Stadt, das dort ein „anderer Radweg“ ist, noch erläutert sie, was dort möglich wäre, z.B. durch das Anbringen von Fahrradpiktogrammen.

Die ADFC Ortsgruppe Sankt Augustin unterstützt das Anliegen, Verkehrsunfälle von Radfahrenden sowie auch anderen Verkehrsteilnehmenden gänzlich zu vermeiden (Vision Zero/Null Todesopfer und Schwerverletzte), würde sich jedoch zukünftig wünschen, dass dabei auf undifferenzierte und individualisierende Verantwortungszuschreibungen verzichtet wird. Stattdessen bedarf es einer fehlerverzeihenden Infrastruktur, die allen Verkehrsteilnehmenden zugutekommt. Qualitätsanforderungen für Radwegenetze – die durchgehend, objektiv sowie subjektiv sicher und gut ausgebaut sind – hat der ADFC-Bundesverband bereits formuliert. Die ADFC Ortsgruppe Sankt Augustin steht vor diesem Hintergrund gerne zur Erläuterung der genannten Beispiele oder für Überlegungen zur Neu- bzw. Umplanung von Infrastruktur zur Verfügung.

https://sankt-augustin.adfc.de/pressemitteilung/stellungnahme-zum-beitrag-der-stadt-sankt-augustin-vom-28042025

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