Sankt Augustin im ADFC Fahrradklima-Test 2024
Mit einer Gesamtbewertung von 3,8 nimmt Sankt Augustin in der Ortsgrößenklasse den Rangplatz 30 von 113 Orten ein und bleibt damit im Vergleich zu 2022 konstant. Neben dem Hinweis auf einige positive Entwicklungen überwiegt jedoch die Kritik.
Am 18. Juni 2025 wurden die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests 2024 im Bundesverkehrsministerium präsentiert.
163 Menschen haben in Sankt Augustin an der Befragung teilgenommen. Die Stadt Sankt Augustin nimmt in ihrer Ortsgrößenklasse (50.000 bis 100.000 Einwohner*innen) bundesweit den Rangplatz 30 von insgesamt 113 Orten ein, innerhalb Nordrhein-Westfalens den Rangplatz 10 von 46 Orten. Insgesamt erreicht Sankt Augustin eine Gesamtbewertung von 3,8. Im Vergleich zu 2022 ist das Bewertungsverhalten konstant geblieben.
Im Vergleich zu ähnlichen Orten stechen folgende Stärken und Schwächen heraus:
Als Stärken der Stadt werden die öffentlichen Fahrräder bzw. das Fahrradverleihsystem, die Erreichbarkeit des Stadtzentrums sowie das zügige Radfahren bewertet. Als Schwächen werden hingegen die fehlenden Falschparkenkontrollen auf Radwegen, die mangelhafte Werbung für das Radfahren und die schlechten Ampelschaltungen für Radfahrende genannt.
Wichtige Themen für die an der Befragung teilnehmenden Menschen sind vor allem die Akzeptanz als Verkehrsteilnehmende, das Sicherheitsgefühl und Hindernisse auf Radwegen.
Neben den standardisierten Rückmeldungen (siehe die zusammengestellten Ergebnisse am Ende dieses Artikels) nutzten viele Menschen auch die Möglichkeit, konkrete Kommentare im Freitextfeld zu hinterlassen. Diese Kommentare der Bürger*innen zur Fahrradsituation in Sankt Augustin zeichnen ein kritisches Bild. Während vereinzelte positive Aspekte wie das Vorhandensein erster Fahrradstraßen genannt werden, überwiegt deutlich die Kritik an der bestehenden Infrastruktur, der Verkehrsführung und der Sicherheit für Radfahrende. Die Anmerkungen lassen sich in mehrere Kernbereiche unterteilen:
1. Infrastruktur und Zustand der Radwege
- Schlechter Zustand: Viele Radwege sind zu schmal, holprig (z.B. durch Baumwurzeln) und in einem allgemein schlechten Zustand. Konkret wird die Wehrfeldstraße mehrfach als Beispiel für einen unangenehm zu befahrenden Weg genannt.
- Fehlende durchgehende Verbindungen: Radwege enden oft abrupt, führen ins Nichts oder zwingen Radfahrende zu gefährlichen Wechseln auf die Fahrbahn. Die Verbindungen nach Bonn und Siegburg werden als verbesserungswürdig angesehen, insbesondere die Strecke entlang der B56.
- Mangelnde Wartung: Die Reinigung der Radwege von Laub, Früchten oder nach dem Winter wird als unzureichend empfunden. Ebenso wird mangelnder Freischnitt von zugewachsenen Wegen kritisiert.
2. Verkehrsführung, Beschilderung und Sicherheit
- Konflikte durch unklare Regelungen: Ein zentraler Kritikpunkt ist die Aufhebung der Benutzungspflicht für viele baulich vorhandene Radwege. Dies führt zu massiven Konflikten, da Autofahrer*innen die neue Regelung nicht kennen und Radfahrer*innen auf der Straße anhupen oder gefährden. Die Alte Heerstraße und der Zedernweg werden hier wiederholt als Problemzonen genannt.
- Gefährliche Straßenabschnitte: Mehrere spezifische Orte werden als besonders gefährlich eingestuft: (1) Die Siegstraße am Schulzentrum Menden wird wegen eines zu schmalen Schutzstreifens und zu schnell fahrender Autos als gefährlich für Schüler*innen empfunden. (2) Die Bonner Straße, insbesondere an Kreuzungen, wird als radfeindlich beschrieben. (3) Die Verkehrsführung an Kreisverkehren (z.B. Rathausallee) ist oft unklar und gefährlich.
- Fehlende Sicherheitsmaßnahmen: Es wird ein Mangel an baulich getrennten Radwegen beklagt. Nur aufgemalte Schutzstreifen werden als nicht ausreichend und nur "vorgegaukelte Sicherheit" angesehen. Farbliche Markierungen zur besseren Sichtbarkeit von Radwegen, wie in der Pleistalstraße in Birlinghoven, werden gefordert.
- Ampelschaltungen: Die Ampelschaltungen für Radfahrer*innen werden häufig als "diskriminierend" empfunden. Sie schalten zu früh auf Rot, haben lange Wartezeiten oder sind nicht aufeinander abgestimmt.
3. Miteinander im Verkehr und Rücksichtnahme
- Gefährdung durch Autos: Radfahrende fühlen sich durch zu enges Überholen und allgemeine Rücksichtslosigkeit von Autofahrer*innen stark gefährdet.
- Falschparker*innen: Ein weit verbreitetes Ärgernis sind auf Rad- und Gehwegen geparkte Autos und E-Scooter. Die Bürger*innen haben den Eindruck, dass das Ordnungsamt hiergegen nicht konsequent genug vorgeht.
- Abstimmung mit anderen Radfahrer*innen: Auch das Miteinander verschiedener Radfahrer*innen wird thematisiert, insbesondere durch unterschiedliche Geschwindigkeiten auf engen Wegen, die kein sicheres Überholen ermöglichen.
4. Politik und Verwaltung
- Kritik am politischen Willen: Viele Kommentierende empfinden die Radverkehrspolitik der Stadt als halbherzig und langsam ("Feigenblattcharakter"). Maßnahmen würden zu lange dauern und nicht mutig genug sein, um die Spielräume der neuen StVO auszunutzen.
- Forderung nach Priorisierung: Es gibt einen starken Wunsch nach einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Verkehrsplanung, die die Sicherheit von Kindern und vulnerablen Verkehrsteilnehmer*innen in den Mittelpunkt stellt.
- Mangelnde Kontrollen: Es wird gefordert, dass die Polizei Geschwindigkeiten, Abbiegevorgänge von LKW und vor allem den Überholabstand von 1,5 Metern konsequenter kontrolliert.
Die Bürger*innen von Sankt Augustin wünschen sich eine sicherere und komfortablere Radinfrastruktur. Die Hauptforderungen sind klar definierte, baulich getrennte und gut instand gehaltene Radwege, eine verständliche und sichere Verkehrsführung sowie eine konsequente Durchsetzung der Verkehrsregeln zum Schutz von Radfahrenden. Die aktuelle Situation wird als stückwerkhaft und oft gefährlich empfunden, was zu erheblichem Frust und einem Gefühl der mangelnden Wertschätzung für den Radverkehr führt.
Die ADFC Ortsgruppe Sankt Augustin hat viele der genannten Mängel bereits in einer Stellungnahme aufgegriffen und eingeordnet. Darin werden auch Qualitätsanforderungen für Radwegenetze benannt, die durchgehend, objektiv sowie subjektiv sicher und gut ausgebaut sind.